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Finanzen + Versicherungen

Schadenversicherung 
Donnerstag, 15.02.2018

BGH: Grenzen winterlicher Räum- und Streupflichten

Eine Gemeindesatzung über den Straßenreinigungs- und Winterdienst ist laut BGH regelmäßig so zu verstehen, dass keine Leistungspflichten begründet werden, die über die Grenze der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten hinausgehen.

Der Fall:

Die Klägerin nahm den Beklagten als Arbeitgeberin aus übergegangenem Recht ihrer verunglückten Arbeitnehmerin (der Geschädigten) auf Schadenersatz wegen Verdienstausfalles in Anspruch. Sie behauptete, die Geschädigte sei frühmorgens gegen 7.20 Uhr auf dem Gehweg des innerstädtisch gelegenen Hausgrundstücks des Beklagten auf einer weder geräumten noch gestreuten Glatteisfläche gestürzt und habe sich eine Fraktur des linken Handgelenks zugezogen.

Während der Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit der Geschädigten hatte die Klägerin der Geschädigten Entgeltfortzahlung in Höhe der Klageforderung geleistet.

Die Entscheidung:

Der BGH verneinte einen - auf die Klägerin nach § 6 Abs. 1 EFZG übergegangenen - Schadenersatzanspruch der Geschädigten wegen Verletzung der Räum- und Streupflicht.

Das Gericht führt aus, dass die winterliche Räum- und Streupflicht auf der Verantwortlichkeit infolge einer Verkehrseröffnung beruht und eine konkrete Gefahrenlage, also eine Gefährdung durch Glättebildung bzw. Schneebelag voraussetzt.

Ebenso ist Grundvoraussetzung für die Räum- und Streupflicht auf Straßen oder Wegen das Vorliegen einer "allgemeinen Glätte" und nicht nur das Vorhandensein einzelner Glättestellen.

Im vorliegenden Fall lag eine allgemeine Glätte im Bereich des Grundstücks der Beklagten nicht vor. Vielmehr war auf dem Bürgersteig vor dem Haus der Beklagten lediglich eine einzige Glatteisfläche von ca. 1 x 1 m Größe vorhanden, die sich allerdings fast über die gesamte Breite des Bürgersteigs erstreckte. Ansonsten war der Bürgersteig vor dem Haus der Beklagten - wie auch im Übrigen die Straße - trocken und geräumt.

Erkennbare Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr durch Glättebildung auf dem Bürgersteig vor dem Grundstück gab es nicht. Eine Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB) schied deshalb aus.

Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Straßenreinigungs- und Gebührensatzung der Stadt verneinte das Gericht ebenfalls. Zwar war das Erfordernis einer "allgemeinen Glätte" in der entsprechenden Vorschrift nicht ausdrücklich genannt. Daraus ließ sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass die Satzung der Stadt die Verkehrssicherungspflichten der Anlieger über die Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB hinaus erweitern wollte.

Eine Gemeindesatzung über den Straßenreinigungs- und Winterdienst muss laut BGH nach dem Grundsatz gesetzeskonformer Auslegung regelmäßig so verstanden werden, dass keine Leistungspflichten begründet werden, die über die Grenze der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit hinausgehen.

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